VON REDAKTION

Fenster haben sich in ihren Formen und Beschaffenheiten von der Antike bis in die Neuzeit laufend weiterentwickelt. Das macht sie zu faszinierenden Zeitzeugen.

Öffnungen in der Wand gehören seit Anbeginn der Menschheit zu jeder Art von Behausung. Sie ermöglichen das Betreten und Verlassen, sorgen für Frischluftzufuhr, lassen Licht ins Innere oder den Rauch vom Feuer nach draussen. Bei den ersten Steinhäusern war der Eingang die einzige Frischluft- und Lichtquelle, ergänzt durch kleine Öffnungen als Rauchabzug in der oberen Hälfte der Wand. Als eine Art primitiver Fensterladen dienten Tierhäute, Pergament oder Leinenstoff. Die Germanen verwendeten für diese Wand- löcher den Begriff «vindauga», was so viel heisst wie «Windauge». Dieser Ursprung findet sich noch heute im englischen «window».

GLASFENSTER ALS STATUSSYMBOL

In der Antike besassen in erster Linie die Thermen der Kaiserzeit Glasfassaden, die auch bereits mehrere Quadratmeter gross sein konnten. Für das Fensterglas, genannt specularia, wurde flüssiges Glas in circa 40 mal 40 Zentimeter grossen Sand- und Holzformen ausgehärtet. Diese Flachgläser hatten wellige Ränder und waren trüb. Im privaten Wohnbau wurden Fensterscheiben ab dem zweiten Jahrhundert nach Christus zu einem gut sichtbaren Statussymbol.

MONDGLASFENSTER UND ERKER

Die Bauweise der Romanik ab 950 erlaubte anspruchsvollere Fensterformen. Diese brachten aber noch kaum Licht ins Innere. Erst nebeneinander angeordnete Fenster verbes- serten die Lichtverhältnisse. Glasfenster blieben nach wie vor der Kirche und der wohlhabenden Oberschicht vorbehalten. Die älteste Technik der Fensterglasherstellung ist das Schleudern erhitzter Glaskugeln an der Glasmacher- pfeife zu Mondglas. Dabei entstanden kreisrunde Scheiben bis zu einem Durchmesser von 1.2 Metern.

Neben repräsentativen Fensteröffnungen verfügten zahlreiche Burganlagen des Mittelalters über Fensternischen oder Erker. Diese Mauerausbuchtungen besassen oft die Grösse von kleinen Zimmern mit eingelassenen Fensterbänken und dienten primär der Verteidigung. Erker an den Gebäudeecken erweiterten den Blickwinkel auf das Geschehen um die Burg und an der Fassade auf 270 Grad. In der Spätgotik und Renaissance diente der Stubenerker als Erweiterung der Wohnfläche, zur besseren Belichtung der Räume und als künstlerisches Gliederungsmotiv der Fassade.

DAS RECHTECKFENSTER AB DER RENAISSANCE

Aufwendiger und anspruchsvoller präsentierte sich das Fenster in der Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert.

Architekten schenkten Proportionen und Massen zuneh- mend Beachtung und betonten vermehrt horizontale und vertikale Linien. Das Rechteckfenster wurde damit zum dominierenden Element der Fassadengestaltung. An zahlreichen italienischen Renaissancepalazzi lässt sich noch heute ablesen, dass in jener Zeit vermehrt Rechteckscheiben zum Einsatz kamen, meist aber nur im oberen Teil der Fensteröffnungen.

Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts wurden repräsentative Gebäude vermehrt in einzelne Fensterachsen unterteilt und damit die Hauptachse sowie wichtige Gebäudeteile betont. Dies änderte sich auch im Barock nicht. Mit speziellen Winterfenstern beziehungsweise Vorfenstern wurden zudem erste Versuche unternommen, die Wärmedämmung zu verbessern. Auch stellte man sich die Frage, wie Fenster besser vor Regen oder Kälte schützen können. Diese Überlegungen veränderten die Konstruktion der Fenster, da sie nicht mehr als Teil der Gesamtarchitektur, sondern als Einzelelement betrachtet wurden.

FENSTERSTEUER, INDUSTRIALISIERUNG
UND MODERNE

Ab 1798 galt in Frankreich zur Besteuerung der Bourgeoisie die sogenannte Fenstersteuer. Die Logik dahinter: Wer auf Repräsentation setzt, besitzt mehr Fenster und hat entsprechend mehr Geld. Um diese Besteuerung zu umgehen, entstanden immer mehr Blindfenster. Das nachträgliche Zumauern von Fensteröffnungen führte insbesondere in ärmeren Stadtvierteln zu grotesken Zuständen. In England wurde die zunehmend unbeliebte Steuer 1851 abgeschafft.

Nicht nur die Fensterflächen wurden in der Zeit der Industrialisierung immer grösser, auch entwickelten sich gleichzeitig die Herstellungsmethoden für Fensterglas: Das Walzglasverfahren ist zum ersten Mal 1688 in Saint-Gobain, der Keimzelle des heutigen Weltkonzerns, dokumentiert. Mit der Entwicklung von Stahlkonstruktionen wurde immer mehr grossflächiges Glas verbaut. Vor dem Hintergrund der immer grösseren Glasflächen erstaunt es, dass das Floatglasverfahren erst 1952 erfunden wurde. Gleichzeitig führten die Architekten der Moderne in den 1920er und 1930er Jahren eine heftige Debatte um die Fassadengestaltung und Rhythmisierung mittels Fensterflächen. So warf der Pariser Architekt Auguste Perret dem Schweizer Architekten LeCorbusier vor, seine Fensterbänder und grossen Fenster nur als reine Fassadenspielerei zu betreiben, ohne Berücksichtigung des Lichts im Innenraum. Im Sinne einer sozialen Volksgesundheit wurde es in den 1920er Jahren immer wichtiger, Licht und frische Luft in die Wohnräume zu bringen und mittels Schiebetüren auf (Dach-)Terrassen auch die Nutzung des Aussenraums zu fördern.

Heute erreichen moderne Fenster nie dagewesene Dimensionen. Die maximal mögliche Grösse des Glases ist das einzige Limit. So sind heute festverglaste Glasfronten oder auch raumhohe Schiebefronten von über acht Metern Länge und drei Metern Höhe mit fast zwei Tonnen Gewicht möglich – und das bei einer Dreifachverglasung und vorbildlichen Dämmwerten.

 

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